ein Ausschnitt aus einem Artikel den ich mal geschrieben habe- ist nicht publiziert worden, war wohl doch zu kritisch:
Den zentralen Wendepunkt für das Selbstschutztraining von Zivilisten stellt allerdings der 11. September 2001 dar. Nach den Anschlägen sah man sich jedenfalls in der US-Armee jenseits einiger Spezialeinheiten (und oft sogar dort) mit einen Mangel an Expertise gerade im Bereich Handfeuerwaffen konfrontiert. War man doch nicht mehr wirklich auf die Art Infanteriekrieg eingestellt, der man sich nun in Afghanistan stellen musste. Unsummen wurden investiert um das Defizit zu beheben und ein Gutteil der echten Koryphäen mit Special Forces Vergangenheit wie Pat Rogers, Larry Vickers, Paul Howe oder Ken Hackathorn wurde wieder für Vater Staat aktiv, im Training oder direkt im nahen und fernen Osten. Sie waren sich ja sicher, nach ihrem Engagement mindestens so gefragt wie davor zu sein.
Vor Probleme sah sich eher die zweite Ebene der eher unbekannten, aber ebenso kompetenten Instrukteure gestellt. Denn wer sollte in der Zwischenzeit das zivile Trainingsgeschäft, das in Zeiten der Bedrohung doch ein nettes Zubrot zu werden schien, weiterführen? Also mussten flugs "Trainer Development" Programme aus dem Bode gestampft werden. Meist sahen die so aus, dass die Glücklichen nur sämtliche Kurse des Instituts machen mussten und einen einwöchigen Trainer-Lehrgang sowie regelmäßiges Re-Zertifizierungs-Training mit dem Cheftrainer dazu. Oft ein wichtiger weiterer Punkt: Kritiklosigkeit dem Chef gegenüber. Denn das Unternehmen und der Lehrplan sollte ja bewahrt und nicht transformiert werden. Oft genug fanden sich ganze erweiterte Freundeskreise so zum „Co-Instruktur“ geadelt.
Irgendwelche pädagogischen Talente oder jahrelange Assistenz bei einem der wenigen Könner (wie in den besten Zeiten der Gunsite, als Jeff Cooper selbst Clint Smith oder Pat Rogers nur als Co-Trainer beschäftigte) waren also nicht mehr gefragt. Das Vorleben der Kandidaten wurde, nun ja, sagen wir "geschönt" um auf den immer mehr tactical werdenden Onlinepräsenzen etwas herzumachen. In der Anti-Terrorstimmung qualifizierte (auch auf deutschen Websites) so der Präsenzdienst zum "Spezialisten des Heeres", der Bankier, der nur einmal mit dem Verteidigungsministerium zu tun gehabt hatte wurde "Sicherheitskonsulent", der Hobbyschütze zum Combat-Guru. Manchmal ging das gut und ein neues Talent als Trainer ward geboren; oft aber auch nicht. Ein Chiropraktiker, der vor den 90er Jahren nie eine Waffe in der Hand gehalten hatte, mutierte gleich zum "4-Weapons Combat Master", eröffnete eine eigene Schießschule, stellte seinen eigenen Ausbildner an und feuerte ihn bald wieder nachdem dieser erkannte wie viel heiße Luft und Scientology-Schwachsinn in den Schüler gefahren war. Vielleicht ein Extremfall, aber der Werdegang des Ex-Knocheneinrenkers ist in der post 9-11 Welt nicht untypisch.
Ja, in einem zweiten Schub der Kriegsführung im war on terror, war plötzlich nicht mehr nur die Elite gefragt! Nun konnte praktisch jedermann der je eine Waffe in der Hand gehalten hatte, Unsummen als Contractor im Irak verdienen und sich selbst den Nimbus des Bewährten umhängen. Diese aus dem Irak zurückkehrenden Sicherheitsleute "bereichern" nun das Angebot vieler Institutionen. Keiner fragt nach, was sie in der Ferne eigentlich tatsächlich für einen Job innehatten oder welches Trauma sie davon trugen- was einzig zählt ist: been there, done that!
Eines hat sie gemeinsam diese neue Trainer Generation- alle sind sie vielbeschäftigt, gefragt, erfolgreich und in der Ausbildung unzähliger Spezialisten in geheimsten Organisationen tätig. Nur in den wenigsten und kritischsten Geistern taucht die Frage auf, weshalb sie dann auf mehr oder weniger marktschreierische Websites angewiesen sind anstatt auf Mundpropaganda unter diesen Profis. Dies mag auch durch die stark steigende Konkurrenz bedingt sein, denn einwöchige Schnellsiedekurse, die sich „Instruktur“ Programme nennen, sind heute mehr die Regel denn die Ausnahme.
Dieser Qualitätsverlust korrespondierte mit der „war on terror“ Hysterie welche die Amerikaner erfasste. Viele Schusswaffenbesitzer wollten sich nun nicht mehr gegen ein paar Carjacker oder cracksüchtige Soziopathen verteidigen können, nein, sie wollten fähig sein, ihr Land gegen den Terror zu schützen. In jedem Kerl steckt doch schließlich ein Jack Bauer!
Nun hätte man ehrlich sein und ihnen sagen können, dass dies bei ihrem Alter und Fitnessgrad unmöglich in ein paar Tagen Ausbildung bewerkstelligbar und das Bedrohungsszenario zudem eher unrealistisch sei. Jedoch wandte sich angesichts der Nachfrage- es geht hier ja um die USA, wo allein der Wunsch des Konsumenten zählt- ein Gutteil der Trainingsindustrie vom Zivilisten ab und, zum Teil auch mit der eigenen, gerade gemachten Erfahrung, dem Training für den Doomsday zu, an dem die Heimatfront gegen die muslimischen Terrorismus gesichert werden muss. Alternativ wurde mit dem enormen Vermögen geworben, das man als Contractor im Irak machen könne. Tragischer jedoch für den Kunden ist das beinahe stündliche Neuentstehen von Institutionen, meist geführt von Trainern der neuen Generation, die versprechen in wenigen Tagen echte Krieger aus dem schlaffen Zivilisationsfall vor ihnen zu machen, aber meist doch nur Disneyland mit Waffen für große Kindsköpfe sind. Nachdem man ohnehin Techniken für einen Ernstfall präsentiert, den 99,9% der Klientel nie erleben wird, kann man auch getrost jede Qualitätssicherung vergessen. Ein Symptom dafür sind die bei manchen US-Ausbildern immer beliebter werdenden „Team Drills“ bei denen man aus den Kursteilnehmern willkürlich Teams kreiert, die dann Dutzende Magazine in militärischen Absetzdrills verfeuern. Nun wird selbst in den gefährlichsten Zonen der USA Otto-Normalwaffenbesitzer maximal im Team mit seiner Ehefrau einen Täter abwehren und damit nie auf derartige Techniken zurückgreifen müssen - womit sie im Grunde kontraproduktiv sind. Wo Rekruten in der Armee wochenlang zu Teams gedrillt werden, müssen die bemühten Kursteilnehmer innerhalb von wenigen Minuten ein Team bilden und sich dann auch sicher in der Gruppe bewegen. Ernste Bedenken hinsichtlich der eigenwilligen Interpretation grundlegender Sicherheitsregeln im Zuge solcher Kurse werden etwa von Tactical Response Gründer James Yeager seit seiner Zeit im Irak mit dem Argument „wo es Schusswaffen gibt, gibt es keine absolute Sicherheit“ vom Tisch gewischt. Letztlich gilt es selbst zu entscheiden ob man seine Priorität auf möglichst realitätsnahes, dynamisches Training mit der scharfen Waffe setzt, oder ob es einem wichtiger ist die Schießbahn mit genau der Anzahl an Körperöffnungen zu verlassen mit der man sie betreten hat...
Für den Zivilisten, egal ob hier oder jenseits des Ozeans, der einfach nur in Sachen bewaffneter Selbstschutz geschult werden will, ergibt sich heute ein sehr unübersichtliches Bild. Ihm kann man offenbar nur raten zuerst genau festzulegen woran er eigentlich interessiert ist - nicht jeder träumt den perversen Traum vom Contractor Job im Irak - die Grundlagen im Waffenhandling nicht zu teuer zu erkaufen und ansonsten lieber beim Schmied als beim Schmiedl zu trainieren, wie man in Österreich so schön sagt.