Gladius V hat geschrieben:david, du willst behaupten, heute ist es sicherer als in den 70ern?
Hallo.
Ich versuche normalerweise, mich aus den Diskussionen hier rauszuhalten, aber: es ist heute auf jeden Fall sicherer als in den 70ern. In jeder Hinsicht.
Die Zahl der Morde und Mordversuche ist drastisch gesunken, von durchschnittlich knapp 80 bzw. knapp 200 auf ungefähr die Hälfte davon. Die Zahl der sonstigen vollzogenen oder versuchten Tötungen ist ebenfalls drastisch gesunken. Die Zahl der dokumentierten Körperverletzungen auch, obwohl die Anzeigebereitschaft quer durch alle Bereiche gestiegen ist und eine Schlägerei in einem Wirtshaus oder auf einem Schulhof heute sicher eher eine Untersuchung nach sich zieht als damals.
Das ist aber nur der Anfang. Die meisten schweren Gewaltverbrechen - ca. neun von zehn Vergewaltigungen, so gut wie alle Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch, so gut wie alle sonstigen Misshandlungen - finden im engsten Familienkreis statt und werden nie formal dokumentiert. Die Situation auf diesem Gebiet ist immer noch nicht schön, aber geradezu idyllisch verglichen zu früher, schon allein wegen des breiteren Zugangs zu Bildung und Erwerbseinkommen. Eine Ehefrau mit Matura, eigenem Beruf, eigenen Versicherungen und eigenem Freundeskreis kannst du nicht so hemmungslos vor dir herwatschen wie eine lebenslange Hausfrau mit Volksschulabschluss, die in jeder Hinsicht vollkommen von dir abhängig ist.
Überhaupt ist das gesellschaftliche Bewusstsein eine ganz andere. Gewalt in der Familie ist kein Kavaliersdelikt mehr, Vergewaltigung ist heute auch in der Ehe strafbar, auf dem Gebiet sexueller Ausbeutung Abhängiger gibt es eine ganze Batterie neuer Tatbestände, drastisch härtere Strafen und wesentlich bessere Ermittlungsarbeit. Die Kategorie an Tötungsdelikten, die in der industrialisierten Welt am stärksten schrumpft, ist die der Beziehungstaten
an Männern. Verdroschene Frauen können heute
gehen,
bevor sie sich nur mehr mit dem Küchenmesser zu helfen wissen.
Das klassische Ahnerlvertilgen gibt's fast überhaupt nicht mehr. Auch in den härtesten Bergdörfern bekommst du heute eher einen Platz im nächsten Altersheim als einen dicken Polster ins Gesicht.
Auch das alles ist aber eigentlich nur die Glasur auf dem Kuchen. Die Zahl der Menschen, die ermordet werden, ist ein kleiner Bruchteil der Zahl der Menschen, die an Arbeitsunfällen, Verkehrsunfällen oder an ärztlichen Behandlungsfehlern sterben. Diese Zahlen sind seit dem 70ern ebenfalls dramatisch gesunken, die Zahl der Verkehrstoten zum Beispiel von um die 2500 pro Jahr auf um die 500.
Sollte eigentlich auch niemand wundern. Raser und Alkolenker werden heute deutlich früher erwischt und schärferen Erziehungsmaßnahmen unterzogen. Gurte sind Vorschrift, Fahrtenschreiber nicht mehr ganz so leicht manipulierbar. Mehr Menschen arbeiten in Büros und weniger auf Baugerüsten. Blei, Asbest, Lösungsmittel etc. werden besser verstanden als vor 40 Jahren, vor allem in Sachen Langzeitfolgen. Katastrophen wie Contergan passieren schon allein aufgrund gründlicherer klinischer Tests nicht mehr. Salmonellenvergiftungen mit einem Dutzend halbtoten Schulkindern gibt es einmal alle zwei Jahre statt einmal alle drei Monate, und 95% statt 50% überleben.